Neue Gesellschaftsform – „großer Wurf“ oder „absolutes Minimum“
Wie bereits aus den Medien und den sozialen Netzwerken entnommen werden konnte, hat die Regierung (Justizministerin Dr. Alma Zadić, LL.M. und Finanzminister Dr. Magnus Brunner, LL.M.) Ministerialentwürfe zum Gesellschaftsrechts-Änderungsgesetz 2023 (GesRÄG 2023) und zum Start-Up-Förderungsgesetz vorgelegt.
Diese Entwürfe wurden von der Öffentlichkeit einerseits als „großer Wurf“ gefeiert und andererseits als „absolutes Minimum“ kritisiert. Spannend sind die Vorhaben der Regierung und die damit einhergehenden Änderungen allemal. Wir haben daher den Ministerialentwurf zum Gesellschaftsrechts-Änderungsgesetz 2023 (GesRÄG 2023) näher unter die Lupe genommen und die wichtigsten Aspekte des Vorhabens zur Einführung der neuen Gesellschaftsform der Flexiblen Kapitalgesellschaft für Sie zusammengefasst.
Für die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) sieht der Ministerialentwurf zum GesRÄG 2023 mit der Herabsenkung des Mindeststammkapitals von bisher EUR 35.000 auf EUR 10.000 ebenfalls eine bedeutende Änderung vor. Künftig soll daher eine GmbH auch ohne Gründungsprivilegierung schon mit EUR 5.000 anstelle von EUR 17.500 errichtet werden können.
Der parallel vorgestellte Ministerialentwurf zum Start-Up-Förderungsgesetz betrifft die steuerliche Behandlung von Mitarbeiteranteilen (Kapitalbeteiligungen). Bisher wurden von Unternehmen, insbesondere im Venture Capital und Start-Up Bereich, Mitarbeiter primär durch die Ausgabe von schuldrechtlichen Substanzgenussrechten an der Gesellschaft (sogenannte Phantom oder Virtual Shares) incentiviert. Die steuerlichen Begünstigungen sollen die Ausgabe von echten Kapitalanteilen künftig attraktiveren.
In Kraft treten sollen die vorgelegten Gesetzesvorhaben planmäßig am 01.11.2023, daher noch im Laufe dieses Jahres.
Die Flexible Kapitalgesellschaft

Der Entwurf des neuen Flexible Kapitalgesellschafts-Gesetz (FlexKapGG) enthält einen Generalverweis auf das GmbH-Gesetz (GmbHG). Soweit in dem FlexKapGG keine abweichenden Regelungen enthalten sind, gelangt daher das GmbHG auch auf die neue Gesellschaftsform der Flexiblen Kapitalgesellschaft subsidiär zur Anwendung. Das GmbH-Recht wir daher auch für die Flexible Kapitalgesellschaft von grundlegender Bedeutung sein.
Die Firma der Gesellschaften, die in der neuen Gesellschaftsform errichtet werden, haben den Zusatz „Flexible Kapitalgesellschaft“, „Flexible Company“, „FlexKapG“ oder „FlexCo“ zu enthalten.
Auf jede Stammeinlage der Flexiblen Kapitalgesellschaft muss lediglich ein Mindestbetrag von EUR 1 eingezahlt werden (anstelle von EUR 70 bei der GmbH). Dadurch ist die Ausgabe von Geschäftsanteilen mit einem geringeren Nennwert möglich.
Im Gesellschaftsvertrag kann geregelt werden, dass für eine schriftliche Beschlussfassung im Umlaufweg nicht die Zustimmung sämtlicher Gesellschafter erforderlich ist. Bei Aufnahme einer solchen Regelung ist es ausreichend, dass allen stimmberechtigten Gesellschaftern die Teilnahme an der Abstimmung ermöglicht wird. Die Fassung von schriftlichen Beschlüssen im Umlaufweg, welche bei einer GmbH schon an dem nicht Tätigwerden eines Kleinstgesellschafter scheitern kann, wird dadurch erleichtert.
Sowohl bei der schriftlichen Stimmabgabe als auch in Generalversammlungen kann jeder Gesellschafter sein Stimmrecht künftig auch uneinheitlich ausüben. Im GmbH-Recht war die uneinheitliche Stimmrechtsausübung bisher umstritten. Die herrschende Lehre hat diese bei (zumindest teilweise) treuhändig gehaltenen Geschäftsanteilen als zulässig erachtet. Bei der Flexiblen Kapitalgesellschaft besteht diesbezüglich künftig Rechtssicherheit. Weiters wurde im Gesetzesentwurf auch die Möglichkeit der Schaffung von mehreren Anteilsgattungen sowie die Stückelung von Anteilen ausdrücklich vorgesehen. Ein Gesellschafter kann daher künftig mehrere Geschäftsanteile einer oder unterschiedlicher Gattung halten, mit diesen getrennt abstimmen und über diese getrennt verfügen.
Eine besondere Neuerung enthält der Gesetzesentwurf auch im Hinblick auf die Formpflichten für die Übernahme und Übertragungen von Geschäftsanteilen. Dafür reicht anstelle eines Notariatsakts künftig auch eine von einem Notar oder Rechtsanwalt schriftlich zu errichtende Urkunde aus. Für die ebenfalls eingeführten Unternehmenswert-Anteile (siehe unten) wurden die Formpflichten noch weiter gelockert. Für deren Übernahme und Übertragung reicht sogar die einfache Schriftform aus, die auch durch die Verwendung von qualifiziert elektronischen Signaturen erfüllt ist.
Neben der Ausgabe von herkömmlichen Geschäftsanteilen ist im Gesetzesentwurf auch die Möglichkeit der Ausgabe von sogenannten Unternehmenswert-Anteilen vorgesehen. Diese Unternehmenswert-Anteile können bis zu 25% des Stammkapitals repräsentieren und stellen Anteile „zweiter Klasse“ dar. Nach dem Konzept der Regierung, sind diese für die Ausgabe an Mitarbeiter bestens geeignet aber nicht auf diesen Personenkreis beschränkt. Die Unternehmenswert-Anteile weichen von den herkömmlichen Geschäftsanteilen wie folgt ab:
- Die Unternehmenswert-Anteile können noch stärker gestückelt werden; der Mindestnennbetrag beträgt lediglich einen Cent und nicht einen Euro;
- Die Unternehmenswert-Anteile gewähren den Anteilsinhabern bei Kapitalerhöhungen der Gesellschaft grundsätzlich kein Bezugsrecht;
- Für die Übertragung von Unternehmenswert-Anteilen reicht die einfache Schriftform (es ist daher weder ein Notariatsakt, noch eine notarielle oder anwaltliche Beurkundung erforderlich);
- Den Unternehmenswert-Beteiligten kommt grundsätzlich kein Stimmrecht Sie sind aber zur Teilnahme an Generalversammlungen der Gesellschaft berechtigt und über die Durchführung von schriftlichen Abstimmungen zu informieren. Mit dem Recht zur Teilnahme an der Generalversammlung ist auch ein umfassendes Auskunfts- und Fragerecht verbunden;
- Den Unternehmenswert-Beteiligten kommt zwingend ein Mitverkaufsrecht zu, wenn die Gründungsgesellschafter ihre Geschäftsanteile mehrheitlich veräußern. Dieses Mitverkaufsrecht ist bei der Ausgabe von Unternehmenswert-Anteilen zwingend in den Gesellschaftsvertrag aufzunehmen;
- Die Informations- und Einsichtsrechte der Unternehmenswert-Beteiligten sind ausdrücklich auf jene des § 22 Abs 2 und 3 GmbHG beschränkt. Nach den Gesetzeserläuterungen sollen die Unternehmenswert-Beteiligten daher nicht über den von der ständigen Rechtsprechung des OGH bejahten umfassenden Informationsanspruch der GmbH-Gesellschafter verfügen;
- Die Unternehmenswert-Beteiligten werden nicht namentlich im Firmenbuch eingetragen. Dem Aktienbuch der Aktiengesellschaften nachgebildet, haben die Geschäftsführer der Gesellschaft aber ein Anteilsbuch zu führen, in dem jeder Unternehmenswert-Beteiligte namentlich einzutragen ist. Darüber hinaus sind beim Firmenbuch einmal jährlich Namens- und Anteilslisten Die Namensliste, nicht hingegen die Anteilsliste, ist dabei auch in der Urkundensammlung des Firmenbuchs zu veröffentlichen;
- Bei der Ausgabe von Unternehmenswert-Anteilen an Mitarbeiter gelten besondere Informations- und Belehrungspflichten, denen die Gesellschaft vor der Ausgabe der Anteile schriftlich nachzukommen hat. Bei der Ausgabe von Unternehmenswert-Anteilen an Mitarbeiter muss diesen darüber hinaus, für den Fall der Beendigung ihres Anstellungsverhältnisses, verpflichtend eine Verkaufsoption eingeräumt werden.
Der wirtschaftliche Wert der Unternehmenswert-Anteile liegt daher primär in der Beteiligung am Substanzwert der Gesellschaft. Die sonstigen Gesellschafterrechte, insbesondere die Mitbestimmungs- und Kontrollrechte, sind für die Unternehmenswert-Beteiligten hingegen stark eingeschränkt.
Zur Erweiterung des Gestaltungsspielraum der Flexiblen Kapitalgesellschaft wurden außerdem die folgenden Instrumente ergänzend im Gesetzesentwurf vorgesehen:
- Die Möglichkeit der Gesellschaft eigene Geschäfts- und Unternehmenswert-Anteile zu erwerben und zu halten wurde im Vergleich zum GmbH-Recht erheblich erweitert. Die neuen Bestimmungen ermöglichen es der Flexiblen Kapitalgesellschaft künftig bis zu einem Drittel des Stammkapitals eigene Anteile zu halten.
- Dem Aktiengesetz nachgebildet, ermöglicht das FlexKapGG auch bei dieser Gesellschaftsform eine bedingte (genehmigte) Kapitalerhöhung und ein genehmigtes Kapital. Dies erleichtert die Ausgabe von Geschäftsanteilen sowie Unternehmenswert-Anteilen durch die Gesellschaft und eröffnet damit weitere Möglichkeiten für die Geschäftsführung frisches Kapital von Investoren einzusammeln und Mitarbeiter an der Gesellschaft zu beteiligen.
- Bereits mit der Zustimmung von zumindest Dreiviertel der Gesellschafter können Finanzierungsinstrumente ausgegeben werden, die den Gläubigern ein Umtausch- oder Bezugsrecht auf Anteile oder ein Genussrecht an der Gesellschaft einräumt (Wandel- und Gewinnschuldverschreibungen, Optionsanleihen, Genussrechtsvereinbarungen, etc). Die im Start-Up und Venture Capital Bereich häufig zum Einsatz gelangenden Wandeldarlehensverträge (Convertible Loans) können daher künftig mit einer Zustimmung von 75% der Gesellschafter rechtssicher abgeschlossen
- Neben dem bereits oben angesprochenen Erwerb eigener Geschäftsanteile enthält das FlexKapGG auch spezielle Bestimmungen über die (Zwangs-)Einziehung von Geschäftsanteilen (Kapitalherabsetzung durch Einziehung von Geschäftsanteilen). Diese kann entweder durch die Gesellschafter beschlossen oder im Gesellschaftsvertrag angeordnet werden.
Letztlich enthält der Gesetzesentwurf Bestimmungen im Hinblick auf die Umwandlung der FlexKapG in eine GmbH sowie Aktiengesellschaft (und vice versa). Nach den konzeptionellen Überlegungen der Regierung soll die rechtsformwechselnde Umwandlung insbesondere zwischen FlexKapG und GmbH einfach möglich sein. Die Umwandlung von einer GmbH in eine FlexKapG (und vice versa) ist demnach durch eine Anpassung des Gesellschaftsvertrags sehr einfach realisierbar; der Gesetzentwurf normiert weder besondere Maßnahmen zum Schutz von Gläubigern, noch ein Barabfindungsangebot für mit der Umwandlung nicht einverstandene Gesellschafter. Im Hinblick auf die Umwandlung einer Aktiengesellschaft in eine FlexKapG (und vice versa) verweist das FlexKapGG auf die Vorschriften des Aktiengesetzes betreffend der Umwandlung einer GmbH in eine Aktiengesellschaft. Diese sind daher sinngemäß anzuwenden.