Das Virtuelle Gesellschafterversammlungen-Gesetz 2023
Während der Corona-Pandemie wurde mit dem Gesellschaftsrechtlichen COVID-19-Gesetz (COVID-19-GesG) und der Gesellschaftsrechtlichen COVID-19-Verordnung (COVID-19-GesV) erstmals die Grundlage geschaffen, Gesellschafterversammlungen auch rein virtuell abzuhalten.
In Fortdauer der Pandemie wurde die Möglichkeit zur Abhaltung virtueller Versammlungen zeitlich mehrmals verlängert, zuletzt bis zum 30. Juni 2023. Mit dem Überwinden der Corona-Pandemie fehlte nunmehr die Grundlage für eine erneute Verlängerung der COVID-19-Regelungen. Der Gesetzgeber hat sich aber dazu entschieden, die Möglichkeit der Abhaltung von virtuellen Versammlungen in ein dauerhaftes Gesetz zu überführen. Dieses Gesetz – das Virtuelle Gesellschafterversammlungen-Gesetz (VirtGesG) – wurde am 19.07.2023 im Bundesgesetzblatt kundgemacht und trat damit in Kraft (gemäß Gesetzestext trat das Gesetz bereits am 14.07.2023 in Kraft, es wurde allerdings erst am 19.07.2023 kundgemacht).
Wir haben die wichtigsten Punkte dieses neuen Gesetzes für Sie zusammengefasst.

Das Virtuelle Gesellschafterversammlungen-Gesetz (VirtGesG)
Das Gesetz gilt für Kapitalgesellschaften (daher insb GmbH und AG), Genossenschaften, Vereine, Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit, kleine Versicherungsvereine und Sparkassen. Keine Anwendung findet das Gesetz hingegen auf Privatstiftungen und Personengesellschaften. Letztere waren von den COVID-19-Regelungen noch umfasst, finden aber nunmehr keine Berücksichtigung mehr.
Voraussetzung für die Durchführung von virtuellen Versammlungen ist nach dem neuen Gesetz, dass es eine entsprechende Regelung im Gesellschaftsvertrag, der Satzung oder den Statuten der jeweiligen Gesellschaft gibt. Dies stellt eine entscheidende Abweichung zu den bisher gültigen COVID-19-Regelungen dar, weil dort eine solche Grundlage nicht gefordert wurde. Ist seitens der Gesellschafter die Abhaltung von virtuellen Versammlungen gewünscht, haben diese daher zunächst eine entsprechende Grundlage zu schaffen. Dafür wird – je nach bisheriger Ausgestaltung – eine Änderung des Gesellschaftsvertrags, der Satzung oder der Statuten erforderlich sein.
Bei der Ausgestaltung der jeweiligen Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag, Satzung oder den Statuten kann alternativ geregelt werden, dass die Versammlungen stets virtuell stattzufinden haben oder die Entscheidung darüber dem einberufenden Organ zukommt (der im Gesetz gewählte Begriff des einberufenden Organs ist etwas unglücklich formuliert und umfasst streng genommen auch Nichtorgane, insbesondere Gesellschafter, wenn diese zur Einberufung berechtigt sind). Weiters ist zu regeln, in welcher Art die virtuelle Versammlungen durchgeführt werden soll bzw welche Arten vom Einberufenden zulässiger Weise festgelegt werden können.
Das Gesetz regelt grundsätzlich drei verschiedene Arten von virtuellen Versammlungen:
- Einfache virtuelle Versammlungen: Diese Art der Versammlung stellt den Regelfall dar und erfordert, dass eine Teilnahmemöglichkeit mittels einer akustischen und optischen Zweiweg-Verbindung in Echtzeit besteht und sich jeder Teilnehmer zu Wort melden, an Abstimmungen teilnehmen und Widerspruch erheben kann. Den Gesetzgebungsmaterialien zufolge hat der Gesetzgeber hier die „herkömmlichen Videokonferenzen“ vor Augen, die während der Corona-Pandemie häufig zum Einsatz kam.
- Moderierte virtuelle Versammlungen: In Fällen, in denen die einfache virtuelle Versammlung etwa aufgrund der Teilnehmeranzahl an ihre Grenzen stößt, offeriert das VirtGesG eine moderierte virtuelle Versammlung. Voraussetzung ist, dass (i) die Versammlung über einen Leiter (daher Vorsitzenden) verfügt, (ii) die Versammlung für die Teilnehmer optisch und akustisch in Echtzeit übertragen wird und (iii) sich Gesellschafter während der Versammlung jederzeit durch elektronische Kommunikation zu Wort melden können. Meldet sich ein Gesellschafter zu Wort ist diesem vom Leiter eine Redemöglichkeit per Video zu ermöglichen. Auch die Stimmenabgabe und die Abgabe von Widersprüchen hat per elektronischer Kommunikation zu erfolgen.
- Hybride Versammlungen: Wie der Wortlaut schon offeriert, handelt es sich dabei um eine Versammlung, bei der die Gesellschafter sowohl physisch als auch virtuell teilnehmen können. Die Teilnehmer können daher zwischen der physischen und der virtuellen Teilnahme frei wählen. Teilnehmer vor Ort und virtuelle Teilnehmer müssen dabei stets gleichwertig behandelt werden.
Im Hinblick auf Verbindungsprobleme enthält das Gesetz eine im Rahmen der Gesetzgebung von vielen Seiten kritisierte Bestimmung, wonach die Gesellschaft für den Einsatz von technischen Kommunikationsmitteln nur insoweit verantwortlich ist, als diese ihrer Sphäre zuzurechnen sind. Individuelle Verbindungsprobleme bei einem der teilnehmenden Gesellschafter führen daher per se weder zu einer Unterbrechung der Versammlung noch zu einer Anfechtungsmöglichkeit der gefassten Beschlüsse.
Letztlich enthält das Gesetz noch diverse Bestimmungen für börsennotierte Aktiengesellschaften. Diese bezwecken eine niedrigschwellige Teilnahmemöglichkeit aller Aktionäre sowie eine möglichst einfache Administrierbarkeit der Versammlung für die Gesellschaft.
Das VirtGesG ist mit 14. Juli 2023 in Kraft getreten und soll nach dem Gesetzeswortlaut nach fünf Jahren vom Justizministerium evaluiert werden.
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